Süddeutsche Zeitung
18. März 2020

Jung gewinnt

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Nach der Kommunalwahl zeigen sich die Jugendorganisationen der Parteien zufrieden. Vielerorts sind ihre Kandidaten in die Parlamente eingezogen.

Von Johann Osel und Christian Sebald

Vielleicht hatte am Ende sogar die Posse mit dem Popo eine gewisse Wirkung, man weiß es nicht. Die Junge Union im oberbayerischen Mettenheim fiel im Januar mit einem Plakat zur Kommunalwahl auf, das einen Hintern in Lederhosen samt Patschehänden zeigte (Slogan: "Jetzt pack ma's an!"). Nach einer - auch überregionalen - Aufregung über mutmaßlichen Sexismus dürfte zumindest in der Gemeinde im Landkreis Mühldorf so gut wie jeder Bürger gewusst haben, dass der CSU-Nachwuchs dort mit einer eigenen Liste an den Start geht.

In gut drei Dutzend Kreisen, Städten und Gemeinden war das am Sonntag der Fall, eine Änderung des Kommunalwahlrechts 2018 erlaubte das. Mehr junge Erwachsene sichtbar in kommunalen Gremien - so die Devise der JU. Und in Mettenheim ist dieser Plan aufgegangen: 14,8 Prozent und damit zwei von 16 Mandaten im Gemeinderat erreichte die JU, ob trotz, wegen oder unabhängig vom Po-Plakat. Das Ergebnis zeigt aber: Die CSU kam auf 36,4 Prozent, 2014 waren es 55,2 - eine Wanderungsbewegung von herkömmlicher zu junger CSU lässt sich also annehmen.

Auch wenn dem durchaus so sein mag vielerorts - die Idee mit den eigenen Listen sei in der Bilanz "super positiv", sagt Nicola Gehringer, Landesgeschäftsführerin der Jungen Union. Noch lägen nicht alle Daten zentral vor, doch zeige sich bereits, dass man überall in die Gremien gekommen sei. "Man sieht, es gibt einen Drang, junge Leute zu wählen." Und gerade auf Kreisebene tue sich der Nachwuchs auch traditionell schwer, auf CSU-Listen zu kommen, weil viele Etablierte dort untergebracht und die Verteilungen der Gemeinden berücksichtigt werden müssten. Wenn also mancher JU-Erfolg nun zu Lasten der CSU gehe, sei das in Ordnung, so Gehringer sinngemäß.

Tatsächlich war im Wahlkampf innerhalb der CSU nicht jeder glücklich über die Konkurrenz durch die eigenen Jungen, Vertreter anderer Parteien witterten in zweifachen Listen gar ein "Geschmäckle". Auf Ebene der Landkreise und kreisfreien Städte war die JU jetzt unter anderem in Günzburg (vier Sitze), Neu-Ulm (drei) oder Ingolstadt (zwei) erfolgreich. In der oberbayerischen Stadt lautet das Fazit der JU sogar: "bombastisch" - zumal, da man in einer Wählerumfrage vor einigen Wochen noch mit null Sitzen im Stadtrat kalkuliert war.

Bei der Aufstellung der Wahllisten im Herbst stand die Jugend im Fokus der Öffentlichkeit wie selten zuvor, vor allem durch die Klimaproteste und die Berichterstattung darüber. Vielerorts war damals zu hören, dass der Parteinachwuchs verstärkt auf Listen dränge und um mehr Wahrnehmung kämpfe. Stadt- und Gemeinderäte sowie Kreistage gelten ja nicht gerade als Tummelplätze junger Erwachsener. Wie ist nun eine erste Bilanz nach der Wahl?

Die Grüne Jugend, die Jungen Freien Wähler (JFW) und die Jusos sind sehr zufrieden mit ihrem Abschneiden. "Wir wollten mindestens 50 Mandate", sagt Grüne-Jugend-Sprecherin Mirjam Körner, "jetzt kommen wir auf deutlich über 70." Und zwar nicht nur in Städten wie Erlangen, wo die Grüne Jugend vier Stadträte stellt. Sondern auch in ländlichen Regionen wie dem Landkreis Dingolfing-Landau, wo einer von vier grünen Kreisräten Mitglied der Grünen Jugend ist. Die JFW haben laut ihrem Chef Felix Locke sogar mehr als 100 Mandate erreicht. "Überall dort, wo wir einen entsprechend gut auf der Liste platzieren konnten, haben wir ihn auch reinbekommen", sagt Locke. Außerdem verweist er auf Achtungserfolge wie den von Tobias Beck. Der 33-jährige Systemarchitekt war Landratskandidat der Freien Wähler im Landkreis Straubing-Bogen und erzielte gegen den beliebten Amtsinhaber Josef Laumer (CSU) 22 Prozent.

Die Jusos stellen sogar einen Bürgermeister. Und zwar im schwäbischen Wittislingen, wo der 24-jährige Thomas Reicherzer gegen einen gemeinsamen Kandidaten von CSU und Freien Wählern 50,5 Prozent holte. Ansonsten sei man eher in Städten wie München oder Erlangen erfolgreich gewesen, sagt Juso-Chefin Anna Tanzer.

"Summa summarum zufrieden", sagt auch Maximilian Funke-Kaiser, Landeschef der Jungen Liberalen. Zwar habe sich das mäßige Abschneiden der FDP insgesamt durchgeschlagen, dennoch konnte man mitunter reüssieren. So sind die zwei Liberalen, die es in den Kreistag Augsburg Land schafften, Julis; im Landkreis München ist die Spitzenkandidatin der Julis, Katharina Diem, zur Stimmenkönigin auf der FDP-Liste avanciert und überholte sogar den Landratskandidaten.

In AfD-Kreisen verweist man unter anderem auf Oskar Lipp, Anfang 20, der es in den Ingolstädter Stadtrat geschafft hat. Kommunale Mandate gab es am Sonntag zudem mancherorts für unabhängige junge Listen, ferner erlangte eine Fridays-for-Future-Liste im Stadtrat von Kempten zwei Sitze.